About me

Schwessi © Christina Körte
Schwessi © Christina Körte

Lässige Lakonie mit groovenden Texten, Power-Bläsern und Rapflow.
SCHWESSIs Sound ist eine gute Mischung aus Pop, Reggae, HipHop und Funk. „Die Musik kommt bei mir aber erst im zweiten Schritt. Zuerst ist da ein Thema, ein Wort, eine Zeile oder eine Situation – und der geb ich dann Raum.“ sagt SCHWESSI, die seit 25 Jahren Musik macht und einen Lebenslauf hat, der seinesgleichen sucht.
Mit dieser Frau könnte man einen gesamten Talk-Show-Stuhlkreis besetzten und es würde nie langweilig. Sie ist Musikerin, Texterin, Filmerin, Coach, Friedensbotschafterin und Rebellin in einer Person. Kein Wunder, dass sie schon berühmte Fans hatte, bevor sie überhaupt etwas veröffentlichte. Udo Lindenberg himself trat ihr in den Allerwertesten, endlich mal ihre Musik
rauszubringen.
Ihre Stimme ist viel zu rau und heiser, um schön zu sein und viel zu warm und ausdrucksstark, um nicht zu gefallen. Sie ist die coole Schwester, die wir alle gerne hätten: Stark und mutig, um für uns die Stimme zu erheben und sensibel as fuck, um mit uns zu fühlen und uns in den Arm zu nehmen.
Ihre Texte spiegeln ihre politische Persönlichkeit perfekt wieder: Kritisch, witzig, ehrlich und immer provokant. “SCHWESSIs rebellischer Geist bleibt immer wach“ brachte es ein Fernsehsender ganz gut auf den Punkt.

Nein, sie will kein Leben auf die Schnelle aus der Mikrowelle
Kein uniformiertes, aufgestülptes, manipuliertes, unreflektiertes Leben aus dem
Sonderangebotsregal
Kein passives Leben wie im Wartesaal

Alles beginnt mit der Spießigkeit eines kleinen katholischen Dorfs in Franken. Hier gibt es nichts außer Schützenfest und Wallfahrt, Dorfdisko und Alkohol, aber ihre Plattensammlung ist das Portal in eine andere Welt: »Die Hamburger Szene hat mich total geprägt: Udo Lindenberg, Die Goldenen Zitronen, später Tocotronic und Jan Delay, aber auch die Berliner Szene Rio Reiser, Nina Hagen und Stereo Total waren wie eine Verheißung, daß es irgendwo da draußen noch ein anderes, freieres Leben gibt.«

Neben dem obligatorischen Klavierunterricht bringt sie sich autodidaktisch Gitarre und Bass bei und steht mit 16 erstmals mit E-Gitarre als Frontfrau der Schülerband auf einer Bühne. 1998 gründet sie in Bamberg unter dem Namen „schwess“ eine Hip-Hop-Combo mit Jazzmusiker*innen, schreibt die Texte, rappt und singt. Nach ersten Erfolgen und kleinen Touren löst sich die Band jedoch auf und SCHWESSI findet sich in ihrer ersten Suchttherapie wieder.

Therapien werden zu einer weiteren Konstante in SCHWESSIs Leben. Um Traumata zu heilen, als Katapult in die eigene innere Freiheit einerseits, und andererseits auch, um dem Geheimnis des Menschseins auf die Spur zu kommen. „Ich bin therapiesüchtig!“ sagt sie heute, „das ist so geil!“ Sie kennt die Flucht vor der Welt in den Rausch genauso wie die Flucht in die Welt. Ein One-Way-Ticket mit Gitarre nach Thailand, Survivaltrips mit Aboriginies, Meditation mit buddhistischen Mönchen, SCHWESSI tariert Leben und Überleben immer wieder neu aus und macht Songs daraus.

Der „Magic Moment“ dann 2007, als sie in einem Internetkaffee in Chiang Mai über eine Jobausschreibung von Udo Lindenberg stolpert. Die Sache war klar: „Ich zieh nach Hamburg und arbeite für Udo. Ich hab ihm meine ganze Lebensgeschichte per Mail geschrieben.“ In der gleichen Nacht hat er noch geantwortet: „Geilomat! Lass mal schnacken, wenn du in Hamburg bist.“ Sie kriegt den Job als Texterin für Udos Stiftung und seine Homepage – und trifft hier auf ihren Meister: „Er ist der König in Sachen Sprachkunst und ein echtes Sprachgenie. Mein Wortkreationsmuskel wurde hier jahrelang hart trainiert. Wir haben jedes Komma nächtelang an
Udos Atlantik-Hotel-Tresen diskutiert.“ Als Songwriterin und Texterin schreibt sie Songs und Bücher mit Udo, als Regisseurin dreht sie Dokumentationen zu Alben und Touren. Ganz besonders „Kosmosliebe“ vom Album „Stärker als die Zeit“ vereint den Hang der beiden zu kleinen Pop-Utopien, genauso wie „Wir werden jetzt Freunde“, die Hymne zur Willkommenskultur 2015. Die
enge Zusammenarbeit mit dem Panik-Poeten bringt SCHWESSI künstlerisch massiv weiter. Darüberhinaus kann sie sich mit kreativen Köpfen wie Benjamin von Stuckrad-Barre, Sebastian Krumbiegel und Tobias Künzel von den Prinzen, Max Herre, Stefanie Heinzmann oder Helmut Krumminga (BAP) austauschen und findet sich in der illustren Jury des „Songwettbewerb
Panikpreis“ wieder.

Doch dann kommt Wendepunkt Nummer 2 – der wohl schönste und süßeste. Mit 33 Jahren wird SCHWESSI schwanger und befindet sich neben der Rock’n’Roll-Welt plötzlich im Windelwahnsinn – allein. „Da bin ich hart an meine Grenzen gekommen. Aber das war eine super wichtige Zeit.“ Und zwei so verschiedene Welten. „Ich fuhr auch mit Baby weiter mit Udo auf Tour. Es klingt verrückt, aber nach der schmerzhaften Trennung war dieser wilde Rock’n’Roll-Zirkus mein seelischer Anker.“ Sie holt sich Unterstützung, baut sich ein Netzwerk auf, und sucht nach einem Weg, selbst Musikerin UND eine gute Mutter zu sein. „Alleinerziehende sind in Deutschland total gearscht. Zu zeigen, dass es trotzdem geht, ist meine Form von Rebellion gegen die patriarchalen Strukturen.“ Und Erfahrungen wie diese liefern ihr den Stoff für ihre starken Texte und Parolen wie in „Hallo Selbstmitleid“:

Wenn das Selbstmitleid bei uns klopft, mein Kind
richte ihm aus, dass wir leider keine Opfer sind

Sie schreibt Songs für Kindermusicals, Hörspiele und Theaterstücke. Bis Lindenberg sie ermutigt, nun endlich ihr eigenes Ding zu machen. Sie spielt Konzerte, produziert Demo-Songs und fasst 2018 den Entschluss: „Alles klar, jetzt mach ich einfach nur noch Musik.“ Mit ihrer Frauenband nimmt SCHWESSI vier Songs für ihre EP “Liebe in Zeiten der Apokalypse” im Hafenklangstudio
Hamburg auf, Stephan Gade produziert. Ganz ohne Marketing verkauft sie davon 500 Stück, baut sich eine kleine Community auf und findet ihren Weg ins Radio. Udo Lindenberg nimmt sie mit auf seinen Kreuzfahrt-Rockliner, anschließend tourt sie mit ihrer Frauenband quer durch Deutschland. Ihr Mentor zeigt sich entzückt: „Das ist so speziell, kaum zu beschreiben, total eigenes Ding. So´n Spezialgesang, und Hammertexte mit ´ner klaren Kante. Yeah, geil!”

2019 nimmt sie neun weitere Songs auf, heuert beim Hamburger Indie-Label „Pussy Empire Recordings“ an und freut sich schon auf die Releasetour ab Oktober 2020 – als es stattdessen eine Pandemie durchzustehen gilt – und einen Burnout. Doch ihr Label und ihre Fans bleiben ihr treu, unterstützen sie auf Patreon und auf Startnext, machen ihre Crowdfundingkampagne in Windeseile zum Erfolg. Man scheint auf sie zu warten.

Am 15. Oktober 2021 erscheint nun allen Lockdowns zum Trotz SCHWESSIs Debütalbum „Achtung Überlebensgefahr“ – produziert von Top-Produzent Stephan Gade (Ina Müller, Niels Frevert, Cäthe) eingespielt von – zum größten Teil weiblichen – Musiker:innen: Julia Schmiedeberg (Gitarre), Katja Stoffels (Bass), Claudia Lippmann (Schlagzeugerin & Percussionistin u.a. in
Böhmermanns Rundfunktanzorchester Ehrenfeld), Doris Decker (Saxophonistin im Panik-Orchester von Udo Lindenberg), Markus „Mosch“ Schröder (Keyboard), und als Gäste: die Hamburger Bläsergruppe „Boxhorns“ (Phillip Kacza und Johnny Johnson (Trompeter & Posaunist bei Jan Delay) Mat Clasen (Saxophonist bei James Last, Otto Waalkes, u.a.)) und der Kinderchor „Sonnenstimmen“.

„Achtung Überlebensgefahr“ ist ein Album, das die Widersprüche des Lebens auf’s Korn nimmt – aus Sicht einer, die überlebt hat – trotz oder wegen allem. Überhaupt, stellt SCHWESSI völlig zu recht die Gegenfrage zu „Was ist, wenn wir nicht überleben“, nämlich „Was, WENN wir überleben?“ Es geht um die politisch nicht korrekte Libido, die Klimakrise im innen und außen, Love, Peace, Rock’n’Roll und selbsttherapeutisches Songwriting gegen den Weltschmerz. Letzterer ist tatsächlich SCHWESSIS Verbrennungsmotor beim Texten. Sie verwandelt ihn in Gesellschaftssatire und Kreativ-Aktivismus, immer den Schalk im Nacken, aber dem Schmerz knallhart ausgeliefert. Schon als Kind konnte sie nicht begreifen, warum es diese wahnsinnige Ungerechtigkeit gibt. Und noch schlimmer: die Machtlosigkeit, nichts dagegen tun zu können. Das ist der Grund, warum sie neben ihrer Musik auch als Empathie-Coach für Gewaltfreie Kommunikation unterwegs ist und Seminare für Eltern und Pädagog*innen hält. „Wenn ich als kleines Wesen dazu beitragen kann, dass durch die nächste Generation die Welt vielleicht ein bisschen friedlicher, lebenswerter und gerechter für ALLE Lebewesen wird, dann macht meine Existenz Sinn. Das ist das, wofür ich lebe.“

SCHWESSI macht Musik, weil es um mehr geht als nur Entertainment. Es geht um die Befreiung des Individuums durch Bewusstseinsentwicklung, um Toleranz und Gleichberechtigung, um die Überwindung nationalistischer Gehirnwäsche, um weltverändernde Maßnahmen und um die Rettung des Planeten. Nichts weniger als das. Nichts schwerer als das. Aber mit größtmöglicher Leichtigkeit und schön viel Resthumor im Blut. Das ist, bei aller Ernsthaftigkeit, das Fundament, auf dem das alles hier steht. Und tanzt. Und singt. Und schreit und lacht.

Vielleicht lässt sich dieser Text so zusammenfassen:

Liebe + Mittelfinger = SCHWESSI. Hallelujah!

SCHWESSI im Gespräch mit Saskia Rienth-Hinkelmann, Juli 2021